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Channel: infokrieg – Denktagebuch
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Fake News verstehen

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Im April 2015 wurde im Blog “Denktagebuch” ein Podcast über das Themenspektrum “Informationskrieg” veröffentlicht. Seitdem wurden an dieser Stelle, wie auch auf Facebook und Twitter, viele Dinge verbreitet, die das dahinterstehende Thesenkonstrukt erweiterten und die Richtung des Ganzen aufzeigten.

Mit dem Wahlkampf von Donald Trump und seiner russischen Unterstützer (und sei es nur, weil sie Hillary nicht leiden konnten), zeigt sich zumindest in den USA ein großes Interesse an dem Thema. Man hinterfragt die Mechanismen und Vorgänge, die da wirkten. Gleichwohl wird ein Großteil des Themenspektrums in der medialen Öffentlichkeit nur unter dem Begriff “Fake News” geführt.

Schaut man sich bespielsweise die Berichterstattung der Süddeutschen am Wochenende zu diesem Thema an (18.+19.12.2016), dann ist auffällig, dass der Begriff “Fake News” lediglich im Sinne von klassischer Propaganda, sprich Streuung falscher Meldungen, erötert wird. Das ist, nach allem was man wissen kann, zumindest unvollständig, wenn nicht gar falsch.

Die klassische Falschmeldung ist zwar zweifelsohne ein wichtiges Element innerhalb des Infokrieges, ihr Ziel ist aber eher selten das ursprüngliche Diskreditieren einer Regierung oder von Personen. Vielmehr geht es bei Falschmeldungen um eine Erweiterung des Möglichkeitsspektrums bei der Interpretation eines Vorgangs. Die Angebote an Interpretationen sind dann beispielsweise so, dass Donald Trump nicht etwa alle Frauen begrabscht, die bei drei nicht auf den Bäumen sind, sondern die Clinton-Kampagne habe diese Vorwürfe gestreut, die Damen wollten von ihm Geld erpressen, sie seien gezielt auf den “armen Donald” angesetzt worden und/oder eigentlich wollten sie es doch auch.

Durch das Streuen der Möglichkeiten werden die zeitlichen Transaktionskosten des Individuums bei der Wahrheitssuche so erhöht, dass das Finden der Wahrheit stark erschwert wird und das Argumentieren für oder gegen eine Meinung erleichtert. Statt des konkreten Falls (Vergewaltigungsvorwürfe) wird darüber diskutiert, ob der Vorwurf überhaupt legitim sei und ob das alles nicht zum Wahlkampf gehöre und somit vollkommen zu ignorieren sei. Bei der Vielzahl an möglichen Wahrheiten, die so erzeugt werden, wird Wissen zu einer Frage des Glaubens.

Erst an diesem Punkt setzen die Mechanismen der Staatspropaganda an und versorgen jene, die glauben, mit den Informationen, die ihr Weltbild festigen. Für jene außerhalb des Glaubensspektrums geht es darum, die Saat des neuen Informationsglaubens zu säen. Die Information abseits des Bekannten wird für den Rezipienten zu einer Art Herrschaftswissen. Er weiß mehr oder glaubt das zumindest.

Dieser Vorgang passiert gerade dann, wenn Menschen, die sich regelmäßig und umfassend informieren, entdecken, dass die großen Medienseiten viele (auch) relevante Nachrichten nur am Rande und/oder nur unregelmäßig behandeln. Wer zum Beispiel nach Informationen über den Krieg im Jemen sucht, weil er alle paar Monate von diesem “vergessenen Krieg” vernahm, der wird schnell auf Seiten außerhalb seriöser journalistischer Betrachtung stoßen. Hier entstehen die Anknüpfungspunkte zum Informationsglaube, oder, um es anders zu formulieren, dem Darknews-Bereich.

Durch die Wahl in den USA haben wir zudem gelernt, dass dieser Darknews-Angebote eine sicherheitstechnische Katastrophe für die Endgeräte wie auch für die Nutzer selbst. Zumindest theoretisch können über diese Angebote dann Drittprogramme verbreitet werden (Viren, Trojaner, Keylogger, etc.) und die Nutzer und ihr Verhalten werden ausspioniert. Dass diese Daten dann für erweiterte Analyseverfahren ausgewertet werden ist wahrscheinlich. Verschiedene Analysen und Berichte weisen darauf hin, dass es dabei vor allem um das Identifizieren der Wutbürger geht. Also jener, mit denen man eine Empörungs-Basis aufbauen kann, die dann auch weitere, aufmerksamkeitsgesteurte Algorithmen auf sich ziehen und so Fake News oder Propaganda so für die Mainstream-Medien interessant machen. Dies kann dann über Facebook, aber auch über reguläre, seriöse Medien erfolgen. Selbst ein Enthüllen des Falschen ist erwünscht, weil die Aufregung so als Nachricht an Fundament gewinnt.

Ein erwünschter Nebeneffekt des Ganzen ist, dass auf diesem Wege auch Legitimationsdebatten über die seriösen Mainstream-Medien erzeugt werden können. So sind Medienjournalisten, Medienkritiker und Aktivisten mit ihren grundlegenden Bedenken, die sie stets äußern (sie brechen eher selten mal mit einem Lob aus diesem Schema aus), zu einem Teil des Systems geworden, das Zweifel generieren soll. Für manche Kritiker, ergibt sich daraus ein Geschäftsmodell, während andere dem unabsichtlich zuarbeiten.

Das Ziel der Fake News, oder eben des Informationskrieges als Ganzem, ist die Zersetzung des Vertrauens in die Medien und die politischen Protagonisten in sehr sensiblen Momenten. Zum Beispiel bei der Frage, wer an einem Kriegsakt die Schuld trägt und wie dieser Kriegsakt einzuordnen ist. Der Klassiker: Die USA zerbomben aus Versehen ein Krankenhaus in Afghanistan und ernten monatelange Kritik. Während Russland hunderte Krankenhäuser in Syrien zerbomben kann und sich niemand so recht daran stören mag.

Nun stellt sich die Frage, wie man das Thema angeht und ich denke, die Antworten sind so simpel wie momentan nicht lösbar.

  1. Mainstreammedien müssen vermehrt Themen besetzen, die jetzt gerade nicht im Fokus stehen. Die einfachste Methode wäre, einen Redakteur abzustellen, der den ganzen Tag nur solche Nachrichten kuratiert und erstellt. Das ganze in einer offiziellen Rubrik, die man meinetwegen “Aus dem Fokus geraten” nennen kann.
  2. Medienhäuser müssen zurück zum Entdecken von Nachrichten und Themen und weg vom Erfüllen diverser Zielgruppenansprüche.
  3. Deutschland braucht einen 24/7 Nachrichtensender. Damit ist Nachrichtenfernsehen gemeint und nicht so ein Schnarchnasen-TV wie Phoenix, das keinerlei Relevanz hat.
  4. Umstruktieren diverser Talkrunden dahin, dass sie keinen Meinungsabgleich vorführen, sondern vertiefte Diskussionen zwischen zwei Menschen aufzeigen. Das heißt auch, dass dem Bürger das Denken wieder zugetraut werden muss.
  5. Deutliche Trennung zwischen Meinung und Analyse.
  6. Mehr Dokumentationen über das, was in der Welt passiert.
  7. Weitaus häufigere Fragestellung zur Rolle Deutschlands in der Welt und ein neuer Realismus über den Status und die Pflichten eines wirtschaftlich starken Landes.

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